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Full text of "Buch der Seele [microform]"

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RICHARD  SCHAUKAL 


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(^DICHTE 


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1908 
BEI  GEORGMÜLLEIC 
MÜNCHEK^LEIPZIG 


THE  UNIVERSITY 

OF  ILLINOIS 

LIBRARY 


KiBoa 


OTTOHARRftSSOWITZ 

BUCHHANDLUNG 

:LEIP2fG 


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UNIVERSITY    OF    ILLINOIS    LIBRARY    AT    URBANACHAMPAIGN 


MAY    5li 
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L161  — O-1096 


RICHARD  SCHAUKAL 

BUCH  DER  SEELE 


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RICHARD  SCHAUKAL 

BUCH  DER   SEELE 


MÜNCHEN  UND  LEIPZIG 
BEI  GEORG  MÜLLER  1908 


Gedruckt  in  750  numerierten  Exemplaren,  davon  35  vom 
Dichter  signierte  auf  Van  Geldern 


Nr. 


■/ 


Neue  Gedichte 


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78.'il0(> 


Wilhelm  Raabe 


in  Liebe  und  Verehrung- 


Ich  gehe,  gehe  von  mir  fort, 
kann  mir  dodi  nicht  entgehn. 
Ich  sage :  Sieh,  das  war  ich    dort, 
und  kann  es  selbst  nicht  sehn. 


AN  DEN  HERRN 

Du,  in  den  wir  münden, 
du,  aus  dem  wir  erwacht; 
wer,  wer  darf  dich  verkünden, 
der  du  dich  selbst  erdadht! 

Der  du  über  den  Zeiten 
thronst  in  UnendUchkeit, 
über  die  Meere  gleiten 
Schatten  von  deinem  Kleid. 

Tage  und  Nächte  sdileichen 
unten  an  seinem  Saum. 
Erblühen  und  Verbleichen 
gabst  du  uns  als  Traum. 


R.  Schaukai,  Gedichte 


MEINER  MUTTER 

Weisst  du,  dass  von  allen  Zweigen 
meines  Lebensbaums 
dir  zu  Danke  Lieder  steigen 
in  das  Blau  des  Raums, 

wo  der  ewige  Erhalter, 
der  sie  lächelnd  lenkt, 
all  die  Vögel  und  die  Falter 
seinen  Engeln  schenkt? 

Und  so  sdiwirrts  von  bunten  Sdiwingen 
um  die  selige  Schar, 
und  ihr  Sdiweben  wird  ein  Singen 
eingestimmt  und   klar. 

Und  es  drängen  sidi  die  Engel 
durch  das  Himmelstor, 
Kopf  an  Kopf  wie  Lilienstengel 
beugt  sidi  forschend  vor. 

Ihre  Fittichsdiultern  gleiten, 
schimmernd  Elfenbein, 
dann  zum  Thron  der  Benedeiten 
in  der  Glorie  Sdiein. 

Sanft  den  jubelnden  Verkiindern 
wehrt  die  reinste  Magd, 
und  die  gnadevoll  uns  Sündern 
Gott  geboren,  sagt: 


Lange  weiss  die  wundergute 
Erdenkunde  sdion, 
der  im  Sdimerzensdiosse  ruhte 
todesbleich  der  Sohn. 

Als  ein  Ohr  der  Kindesklage, 
Kindesglücks  der  Welt 
bis  ans  Ende  aller  Tage 
hat  Er  midi  bestellt. 


AN  MEINE  FRAU 

Lass,  Vertrauteste,  zusammen 
uns  den  steilen  Pfad  ersteigen: 
meine  Sehnsucht  wird  in  Flammen 
wallend  uns  die  Wege  zeigen. 

Sdiatten  sdileichen  in  den  Talen, 
drücken  auf  die  dumpfen  Tage. 
Mich  verlangt  nadi  heissen  Strahlen, 
der  ein  heisses  Herz  ich  trage. 

Nebelt's  gleich  aus  sdiroffen  Schrunden, 
spreizen  sich  die  Hindernisse: 
unter  Hängen,  neben  Schlünden 
wag  ich  mich  ins  Ungewisse! 


ERWARTUNG 

Dumpfes  Drängen,  trübes  Wähnen, 
welkend  schleifts  ein  müder  Wind, 
dodi  idi  lausche  durch  die  Tränen 
Schritten,  die  noch  ferne  sind." 

Einen  Schatten  seh  ich  steigen, 
eine  Stimme  hör  ich   nahn: 
aus  mir  selbst  midi  vorzuneigen, 
treibt  es  mich,  ihn  zu  empfahn. 

Und  nun  hält  er  an  der  Schwelle, 
und  da  klopft  er  schon  ans  Tor: 
lodernd  schlägts  in  Flammenhelle 
über  meinem  Haupt  empor. 


FRUHLINGSAHNEN 
I 

Schon  will  sich  Frühlingsahnen 
aus  tiefster  Brust  erheben, 
die  lauen  Lüfte  mahnen 
an  seligstes  Erleben. 

Schon  zeichnen  sich  die  Bäume 
weicher  am  Himmelsrande. 
Sehnsüchtig  schaun  die  Träume 
nach  dem  gelobten  Lande. 


n 

Was  will  das  bange  Drängen 
in  meiner  Brust, 
in  Schwellen  und  Verengen 
die  wehe  Lust, 

die  mir  das  Herz,  die  Kehle 
vor  Horchen  sdinürt? 
Hat  einen  Hauch  die  Seele 
vom  Lenz  verspürt? 


MÄRZ  (Kinderlied) 

Die  Dädier  spiegeln  blank, 
von  allen  Rinnen  klopfen 
die  trommelnden  Tropfen. 
O  heller  Klang! 

Was  willst  du,  junger  Wind, 
mit  deinem  wilden  Wehn? 
Lass  mich  entgegengehn 
dem  Frühlingskind! 


8 


SCHÖPFUNG 

Du  kennst  des  Werkes  widriges  Versagen: 
wies  ungewiss  im  Busen  dir  gewittert, 
<lein  innrer  Bau  von  Wehen  wankend  zittert 
und   alle  Worte  zögern  und  verzagen. 

Du  gehst  ein  Fremder  durdi  die  Zeit.    Es  klagen 
Gedanken  dir,  vom  Ganzen  abgesplittert, 
dein  Sehnen  vor,  das  dich  zuletzt  erbittert; 
du  willst  zermürbt  dich  seiner  sdion  entschlagen  — 

da  ballt  verdichtend  sidi  die  schwangre  Schwüle, 

die  Welt  verfinstert  unter  ihrem  Schatten, 

mit  eins  zerreisst  ein  Blitz,  ein  flammend  greller, 

donnernd  das  Dunkel;  schnell  und  immer  schneller 
^trömts  regenrauschend  auf  ergrünte  Matten, 
und  farbig  schwebt  ein  Bogen    durch  die  Kühle. 


IN  DER  HEIMAT 

Warum    dies  Traurigwerden 
dort,  wo  die  Sehnsucht  weilt? 
Bin  ich  denn  hier  auf  Erden 
nie  ganz   und  ungeteilt? 

Kann  ich  nicht  stille  kauern, 
tief  in  mich  selbst  gebückt, 
in  Seligkeit  und  Schauern 
mir  und  der  Welt  entrückt? 

Muss  ich  mir  selbst  gestehen 
stets  meine  arme  Qual, 
in  Lidit  und  Ruhe  sehen 
als  ins  entfernte  Tal, 

dahin  ich  nie  gelange? 
O  Seele,  wirst  du  nie 
durchbrechen  diese  bange 
Schale?     O  fiele  sie! 


10 


SURSUM 

Empor  zur  sternbesäten  Weite 
wag  wieder  deinen  fernetrunknen  Flug! 
Schon  steht  der  gute  Geist  dir  freundlich  an  der  Seite, 
der  auf  dem  starken  Nacken   sonst  dich  trug. 

Verlass  den  Strand,  der  murmelnd  deinen  Füssen 
Welle  auf  Welle   sterbend  angespült. 
Die  dich  erwarten,   wollen  dich  begrüssen! 
Lass  aus  dein  Herz,  das  wieder  Flügel  fühlt! 


11 


SOMMERS  EINZUG 

L^eug,  o  Lenz,  den  weissen  Nacken: 
*— ^  sieh,  ein  brauner  Herrscher  naht 

dem  Gefilde  reicher  Tat; 

stolz  im  Scharlach  der  Schabracken 

windet  sidi  der  Zug  in  Zacken 

ragend  über  schwanke  Saat. 

Längst  schon  stieg  den  Himmelsbogen 

glühend  dein  Gestirn  hinauf. 

Deine  Hirten  sind  verzogen, 

deines  Flusses  flüchtige  Wogen 

sdi  äumen  schwalbenüberflogen 

zu  den  Rosenbüschen  auf. 


12 


WOLKEN 

Im  Grase  lieg  idi  hingestreckt 
und  blinzle  hoch  ins  Blau, 
wo  Wolken  wandern  windgeschredct, 
und  denke  nichts  und  schau 

und  sdiau  nur  immer  immerzu: 
wie  wird  mir  doch  so  weit, 
als  hielt  ich  meine  gute  Ruh 
schon  über  aller  Zeit  .  .  . 


13 


MOZARTS  SPINETT 

Dem  schmäditigen  Gerät  zum  ersten  Male 
ist  lieblich  läutend  Glockenklang  entquollen: 
Tropfen,  die  perlend  bald  im  Becken  rollen, 
bald  lauter  plätschernd  in  basaltner  Schale 

vom  Rande  rinnen,  blitzender  Opale 
träufelnde  Reihen,  bald  in  einem  tollen 
trommelnden  Tanze  stürmen,  bald  vom  vollen 
Winde  gewiegt  in  Schleiern  wehn  zu  Tale. 

Und  wie  das  Mondlicht  blaue  Silberseiden 
über  den  Rasen  rings  um  die  Fontäne 
flutend  verflicht,   erweitert  sich  die  Szene: 

der  Fluss  erglänzt  metallen  unter  Weiden, 
aus  weisser  Götter  schweigenden  Verstecken 
flackert  Geflüster  längs  den  Taxushecken. 


14 


ENGLAND 

Weiss  im   grellen  Mittagleuchten 
stieg  es  aus  den  Schimmerfluten, 
wuchs  in  drängenden  Minuten, 
und  ich  sahs  mit  heimwehfeuchten 
landungbangen  stummen  Augen. 

Und  es  war,  als  ob  mein  Leben, 
das  ich,  einem  neuen  Sterne 
mich  vertrauend,   tauber  Ferne 
trotzig  zwingend  wollte  geben, 
traurig  mich  mit  stummen  Augen 
fragte:  Kannst  du  mir  entrinnen  .  .  .? 


15 


LANGE  ZEIT 

I     ange  Zeit  im  lauten  Leben 

^— *  war  ich  von  den  Ahnungslosen 

einer,  der,  dem  Hauch  der  Rosen 

und  dem  kühlen  Licht  der  Sterne 

träumend  sich  dahinzugehen, 

ohne  Ziele,  ohne  Ferne, 

lächelnd  bald  und  bald  verdüstert, 

zärtlich  vom  Versteck  umflüstert, 

als  ein  Dauerndes  empfunden. 

Doch  es  kamen   dunkle  Stunden, 

die  den  Himmel   rings  verstellten, 

also  dass  ich  heimlich  bangte, 

nach  den  schimmernden  Gezeiten, 

nach  den  Wäldern,  Aun  und  Matten, 

Seen  und  Gärten  mich  verlangte 

unter  ihrem  kalten  Schatten. 

Und  ich  fühlte   mich  versinken 

tiefer  stets  in  Dämmerungen, 

sah  vom  Abgrund  hoch  am  Rande 

weisse  gute  Hände  winken, 

wie  wenn  Schiffe  sich  vom  Strande 

mit  gefüllten  Segeln  heben, 

und  du  beugst,  vom  Schwall  Umschwüngen 

gelber  Wogen,  dich  enteilend 

noch  in  stummem  Gruss  hinüber, 

einmal  noch  im  Gruss  hinüber, 

wo  die  weissen  Tücher  schweben  .  .  . 


16 


DER  WIND 

Manchmal  wirft  sich   der  Wind 
wild  an  die  Fensterscheiben: 
er  ist  zottig-schwarz  und  blind. 
Dann  wieder  treiben 

fern-fernste    Wolken    am    Himmel    hin    dradien- 

geschwind : 
nirgend  kann   er  bleiben. 

Er  donnert  heulend  ums  Haus, 

springt  tief  ins  Wasser  und  wirbelt  zu  Tal. 

Dann  dehnt  er  sidi  aus 

und  rast,  ein  flammendes  Fanal, 

hoch  über  alle  Wälder  in  die  Nacht  hinaus. 

Mandimal  schauernd  im  Baum 

hoch  am  Mittag  lässt  er  die  Blätter  schwirren 

leise  zärtlidi:  man  hört  es  kaum, 

es  ist  wie   ein  Heimatirren, 

ein  längst  geträumter  Traum. 


2        R.  Schaulcal,  Gedichte  17 


HOCHSOMMER 

Nun  hat  der  Sommer  sich  im  Grünen 
gelagert,   stützt  das  Träumerhaupt 
in  die  gebräunte  Hand.     Belaubt 
sieht  er  in  fernste  Fernen  Ast 
an  Ast,  bis  wo  die  weissen  Dünen 
die  nie  beruhigte  See  bestürmt 
mit  ihren  schäum-  und   trotzgekrönten  kühnen 
tobenden  Kindern.     Hodi  im  Westen  türmt 
gewaltig  sich  die  schwarze  Wolkenwand  . 
Ihn  schläfert.     Müde  sinkt   sein  Lid. 
Die  Schwalben  kreisen.  Magisch  glänzt  das  Land  . 
Der  Frösche  Nachtgesang  erhebt  im  Ried 
sich  leiseschwellend.    Kühler  streicht  ein  Hauch. 
Friedlich  aus  allen  Hütten  kräuselt  Rauch, 
verschwebt  in  Schleiern  und  versdiwimmt  im  Glast 
der  tiefern  Sonne.     Hoch   im  Dorf  beginnt 
die  Glocke,  die  den  Abend   überspinnt  .  .  . 
Der  Abendstern  steigt  auf,  und  sadit 
verbreitet  sich  die  Nacht. 


18 


WALDWEBEN 

Vom  Quell  die  Kieselkühle 
haucht  mir  entgegen.     Warm 
aus  schwebender  Mittagsschwüle 
tret  ich,  den  Stock  im  Arm, 

ins  grüne   Dämmern.     Leise 
den  moosigen  Weg  entlang 
die  alte  Waldesweise, 
der  rauschende  Gesang. 

Zitterndes  Sonnenflimmern 
spinnt  sidi  von  Zweig  zu  Zweig, 
zwischen  den  Sdiatten  sdiimmern 
Goldkringel  auf  dem  Steig. 

Da  sind  die  durstigen  Farren, 
da  sind  die  Falter  von  einst  .  .  . 
Du  Spur  von  knarrenden  Karren, 
wie  du  bekannt  mir  scheinst! 

Du  flatternde  Waldesseele 
voll  Märchenheimlichkeit  — 
was  würgt  mir  in  der  Kehle! 
Das  war  vor  langer  Zeit  ... 


19 


DER  NACHEN 

Nun  ist  die  Nacht  gekommen 
mit  sanftem  Schritt. 
Die  lautlos  rings  erglommen, 
die  Sterne  bringt  sie  mit. 

Schon  hält  ein  stiller  Nadien 
am  schwarzen  Strand: 
steig  schwankend  ein,  erwachen 
wirst  du  im  fernen  Land. 


20 


SCHLAFLOSE  NACHT 

Wer  schlaflos  liegt  und  horcht  hinaus: 
die  Nadit  ist  gross  und  grauenhaft 
und  wallt  in  Dunkelheit  und  sdiafft, 
die  Welt  braust  sidi  in  tauben  Ohren  aus   .  . 

Wer  schlaflos  liegt  und  hält  sein  Herz, 

das  auf  den  Flügeln  schwüler  Sucht 

ins  Ungewisse  will   der  Flucht: 

es  kann  nicht   mehr  vor  dumpfem  Schmerz  .   . 

Wer  schlaflos  liegt  und  fühlt:  sein  Haus 

versinkt  in  Tiefen  und  ertrinkt, 

dann  aber   breitet  schwer  sich  aus 

ein    flimmerndes  Dämmern,    das  Erlösung  bringt 

und  zögert  lang  und  dehnt  sich  weit 

und  ist  voll  Angst  und  Traurigkeit  ... 

Wer  schlaflos  liegt  und  horcht  hinein 
in  seine  stumme  Mensdienpein : 
was  warst  du  dodi,  was  bist  du  noch! 
Bist  dus,   der  frierend  sich  verkrodi 
vor  Gott,   o  Mensdi,  dem's  wieder  Tag, 
Tag  harter   Sorge  werden  mag? 


21 


AN  DIE  SCHÖNHEIT 

Ich  möchte  die  Sdiönheit  in  midi  trinken, 
die  Schönheit,  die  schon  meiner  harrt. 
Wo  bleibst  du,  sagt  sie,  ich  steh  erstarrt, 
und  ich  will  erweichen  und  will  versinken 
in  eine  lebende  Gegenwart, 
ich  will  in  einen  untertauchen, 
der  mich  nidit  allen  andern  zeigt, 
der  mich  verschlingt    und  mich  versdiweigt, 
aus  seinem  Atem  will  ich  haudien 
und  wie  vergangen  in  ihm  ruhn, 
auf  dass  er  mich  erst  wieder  dichte, 
ich  will  in  seinem  Augenlichte 
und  auferstehn  in  seinem  Tun. 
Denn  diese,  die  da  suchend   schleichen, 
sich  bücken,  näher  mich  zu  sehn, 
und  midi  umwandeln  auf  den  Zehn, 
midi  messen   und  mit  sich  vergleichen, 
ach,  alle  diese  sind  wie  Diebe, 
ihr  Blick,  wenn  er  sidi  hebt,  entweiht. 
Ich  aber  bin  alt  wie  die  Zeit 
und  unbesiegbar  wie  die  Liebe 
und  gross   wie  Gottes  Sdiöpfersinn, 
und  weil  ich  unermesslidi  bin, 
will  ich  in  einem  untergehn, 
der  unersättlich  ist  an  mir, 
nicht  ein  getragenes  Panier, 
nicht  eine  Helm-  und  Panzerzier, 
als  eine  Flamme  will  idi  wehn 
aus  ihm  für  mich  und  er  aus  mir. 

22 


SONNENAUFGANG 

Das  ist  die  Zeit  der  kühlen  Frühe: 
die  Vögel  schreien  insgesamt. 
Der  Himmel  hebt  sich  immer  höher, 
ganz  leise  wachsend  angeflammt. 

Und  von  den  Wiesen  wallt  der  Nebel 
zerfliessend  wie  ein  Morgentraum. 
Den  Weg  entlang  erwacht  die  Reihe 
der  hohen  Pappeln  Baum  an  Baum  .  . 


23 


STUNDE  DER  OHNMACHT 

I     |er  du  entschlossen,  Pfade   zu  besteigen, 
^-^   die  vor  den  kühnen  Wünschen  sich  geweitet : 
wie  hat  verweisend  einer  Stunde  Schweigen 
dein  jäh  entfachtes  Wagen  heimgeleitet! 

Und  allem  Drängen  hast  du  dich  verweigert, 
stumpf  in  der  nächsten  Staffeln  Überwinden. 
Nun  musst  du  müde  dich  erfahren  finden, 
dass  die  verstummte  Sucht  sidi  blutend  steigert. 


24 


STUNDE  DER  FÜLLE 

Breit  über,  selige  Stunde, 
der  Zweige  schwankende  Last! 
Die  Wunder   quellende  Kunde, 
ach,  sie  verstört  mich  fast. 

Herrschender  meine  Stirne 
hebt  sidi  aus  hemmender  Hut, 
nah  und  näher  die  Firne 
eisig  in  Purpurglut. 

Tief  aus  schlitternden  Schlünden 
lodernd  stürmt  es  empor, 
wallend  über  den  Gründen 
schwebt  der  gewaltige  Chor. 

Alldurchkreisendes  Leben 
braust  in  Flammen  und  Schwall, 
und  ich  erfühls  mit  Beben: 
ich  bin  überall! 


25 


IM  REISEWAGEN 

Scheu  vorm  Scheine  der  Laterne 
weicht  Gesträuch  am  Wegesrande. 
Kälter  glänzen  sdion  die  Sterne 
hier  in  diesem  fremden  Lande. 

Doch  wie  dich  gemadi  das  Rollen 
in  ein  andres  Leben  leitet, 
fühlst  du,  dass  aus  deinem  vollen 
Herzen  Licht  es  überbreitet. 


26 


WIR 

Und  immer  wieder  Nacht  und  Ende 
und  immer  wieder  Anfang,  Lidit: 
wir  schliessen,  öffnen  unsre  Hände 
und  senken,  heben  das  Gesicht. 

So  haben  wir  aus  Angst  vorm  Kreise 
in  feiger  Scheu  zureditgestellt 
die  Ewigkeit  nach  Menschenweise, 
für  Menschenmüdigkeit  die  Welt. 


27 


DIE  STUNDEN 

Manche  Stunden  gehn 
weich  auf  leisen  Zehn, 
den  Rosenfinger  am  Munde. 
Manche  Stunde 
sdileppt  sich  schwer, 
kann  nicht  mehr, 
fällt  im  Finstern  zusammen. 
Andre  sind  wie  Flammen: 
züngeln,  lodern  und  zucken. 
Manche  ducken 
sich  unter  Schlägen: 
kannst  die  trägen 
nicht  von  der  Stelle  bringen. 
Manche  singen, 
jubeln  und  lachen. 
Viele  möchtest  du  ungeschehn, 
vergessen  machen, 
sie  aber  bleiben  stehn 
und  dröhn. 
Andre  sind  entflohn, 
eh  du  sie  fassen  magst, 
„Bleibt  noch"   zu  ihnen  sagst. 


28 


KLANGE  VOM  ZIRKUS 

Kreischende  Fiedeln  und  wimmernde    Flöten. 
Ein  Hund  schlägt  an  und  heult  darein, 
und  nun  schnauben  die  rauhen  Trompeten. 
Trübe  Lichter  erfrorner  Laternen  .  .  . 
Liegt  eine  Welt  zwisdien  mein  und  dein. 
Fallen  die  Lose  von  kalten  Sternen? 
Oder  musst  Mensch  du  alles  lernen, 
Fiedel  und  Vieh  und  Gaukler  sein? 


29 


SEELE 

Sehnend  schau  ich  hinaus: 
riefst  du  mich,  liebliche  Seele? 
Bang  in  der  hämmernden  Kehle 
fühl  ich  das  lastende  Haus. 

Schwingen  wachsen  mir  schon. 
Seele,  Seele,   ich  nahe! 
Dass  ich  dich   wieder  empfahe, 
kündets  der  bräutliche  Ton? 

Wellen  heben  empor 
sich  aus  dem  bleiernen  Weiher. 
Flatternd  zerreissen  die  Schleier 
mir  um  Auge  und  Ohr 

und  ein  Dröhnen  im  Blut 
kündet  die  seligste  Feier: 
Seele,  wie  flammt  dein  Freier! 
Herz,  wie  stürmt  deine  Glut! 


30 


SPAT 

Spät,  wenn  die  alte  Uhr  gesdilagen 
und  wieder  Stille  dich  umwirbt, 
das  Pendel  geht,  die  Lampe  zirpt, 
steigt  es  empor  aus  alten  Tagen 
und  füllt  mit  Geistergruss  die  Luft 
und  macht  dein  Herz  so  schwer  vor  Sehnen 
nach  einem  längst  verhauchten  Duft, 
nach  einer  fernen  kühlen  Gruft, 
nach  Wind  im  Wald  an  Bergeslehnen  .  . 


31 


SCHLAF 

Schlafe,  schlafe  nun,  lass 
leise  die  Panzerringe 
sich  lösen  vom  Leib.     Die  Klinge, 
gesdiärft  im  Wehren  der  Dinge, 
die  dich  bedräuen  mit  Mass, 

harrt  dir  zu  Häupten  des  Pfühles. 
Schlafe  nur:  Schlaf  ist  Glück, 
alles  gibt  er  zurück, 
sammelt  dir  Stück  um  Stück 
sdinöde  vertanen  Gefühles, 

gibt  dich  dir  selber  wieder, 

da  dich  die  Mensdien   verdarben, 

wärmt  und  bestärkt  dir  die  Glieder, 

weich  mit  Silbergefieder 

streicht  er  die  Tagesnarben. 


32 


WIEDERSEHEN 

Wenn  in  den  reineren  Regionen 
sich  deine  Seele  meiner  eint, 
wird  Lächeln  in  uns  beiden  wohnen, 
das  hell  die  Erdenform  durchscheint, 

wird  seliges  Erbeben  künden 
von  gnadevoller  Reinigung : 
hoch  über  zweifelengen  Schlünden 
hält  uns  der  ewige  Flügelschwung. 


R.  Schaukai,  Gedichte  •i'S 


/\  ch,  alle  diese  Worte  weiss  ich  schon ! 
••     »>  Ich  habe  mehr  als  Worte  zu  gewinnen, 
die  als  ein  Wesenloses  mich  durchrinnen 
und  ferne  rauschen  wie  der  Muschel  Ton. 

Ach,  alle  diese  Dinge,  die  geschehn, 
sind  ohne  Sinn  und  so  voll  Traurigkeit 
und  sind  mir  alle  längst  Vergangenheit, 
versuch  ich  müd  in  ihnen  mich  zu  sehn. 

Warum  denn  aber  diese  Traurigkeit, 
die  mich  wie  einen  dumpfen  Sklaven  schleift? 
O  gib  mir,  grosser  Gott,  der  dies  begreift, 
noch  hier  im  Tale  deine  Heiterkeit! 


34 


Manchmal  mein  ich  es  zu  halten 
mitten  in  der  Nacht, 
was  in  wechselnden  Gestalten 
mich  so  selig  macht. 

Und  es  ist  mir  dann  am  Tage 
unter  meinem  Kleid, 
dass  ich  etwas  an  mir  trage, 
das  von  Ewigkeit. 


35 


VYyir  sagen  Abend,  Übel,  Tod 

»  »  und  zählen  nach  der  Zeit. 
Was  will  die  arme  Menschennot! 
Es  gibt  nur  Ewigkeit. 

Es  ist  nichts  böse  und  nichts  gut; 
dies  bleibt  ein  Spiel  wie  Zeit. 
Wir  sind  in  Gott,  der  niemals  tut, 
nur  ist  in  Ewigkeit. 


36 


Bin  ich  im  Leben? 
Ist  es  in  mir? 
War  ich  das  eben? 
Bin  ich  das  hier? 

Alle  das  Denken 
gibt  keinen  Halt, 
Dauer  nur  schenken 
kann  die  Gestalt. 


37 


ES  WIRD  SEIN 

Was  war,  eh  du  den  Anbeginn 
der  bitter-kargen  Tage  fühltest, 
eh  du  mit  jedem  Hungersinn 
dich   brennend  in  das  Leben  wühltest? 

Und  was  wird  sein,  wenn  du  im  Hirn 
den  letzten  Feuerfunken  beben 
verzweifelnd  ahnst  und  diese  Stirn 
sie  stumm  der  stummen  Erde  geben? 

Wirst  du  mich  rufen,  Herr,  und  mir 
die  Wunder  erst  der  Wirklichkeiten 
wie  einen  klaren  Teppich  breiten? 
Kannst  du  mich  würdigen  zu  dir? 

Ich  darfs  nicht  denken,  dass  du  dich 
mir  schenken  solltest  ganz  allein. 
Und  dennoch,  horch  ich  tief  in  mich, 
dann  muss  ich  sagen:  es  wird  sein! 


38 


STERNHELLE  NACHT 

Die  Sterne  stehn  am  Himmel  heut  zu  Haufen. 
Idi  schaute  lang.    Da  ward  mir  zur  Chimäre 
das  schimmernde  Gedränge,  wars  als  wäre 
ein  Hauch  mir  frierend  übers  Herz  gelaufen. 

Dann  breitete  sidi  spiegelglatte  Stille, 
darunter  meiner  Gegenwart  Gezeiten 
im  Dunkel  starrten  der  Vergangenheiten, 
idi  ausgelöscht  als  Wesenheit  und  Wille. 

Und  wie  des  Nachts  Erwachendem  im  Bette 
vermauert  das  Gemach  ersdieint,  die  Hand 
ins  Finstre  tastend  immer  bang  nur  Wand 

und  Wand  nur  spürt  an  sonst  vertrauter  Stätte: 
so  war  mir  das  Gefühl  der  Himmelsfemen 
zur  Nähe  worden,  Stern   ich  unter  Sternen. 


39 


NACH  EINEM  REGENTAGE 

^  chon  hat  der  Herbst  die  Wege 
*^    mit  Blättern  still  bestreut. 

Ich  geh  und  überlege: 

»st  vieles,  was  mich  reut. 

Es  funkelt  noch  die  Feuchte 
im  dunstig  schwadien  Schein. 
Ein  schüchternes  Geleuchte 
fängt  sich  das  Dickicht  ein. 

Mit  rauschendem  Gerinne 
singt  sich  der  Bach   zu  Tal. 
Es  schimmert   ein  Gespinne 
an  einem  Sonnenstrahl. 

Da  schau  ich  von  dem  Hange 
hinüber  und  hinauf: 
mit  meinen  Blicken  fange 
idi  einen  Vogel  auf. 


40 


IN  DER  NACHT 

•  • 

Uberm  Klopfen    meines  Herzens    bin  idi   auf- 
gewacht .   .  . 
Atemzüge  meines  Kindes  ruhig   in  der  Nacht. 

Schwankend  schwebt  ein  leiditer  Schatten   an  der 

Dedce  hin, 

und  aus  bunten  trunknen  Träumen  weiss  ich,  wo 

ich  bin. 

Lauschend  beug  ich  mich  hinüber.     O,   erfüll  sie 

ganz, 

Frieden,    meine    bange    Seele    still    mit    deinem 

Glcmz ! 


41 


AN  GEORG 

I 

Deine  lieben  Hände  mir  im  Haare, 
tief  das  Kinn  auf  deiner  warmen  Brust: 
augenschliessend  selig-stumme  Lust 
dieses  Eine,  dieses  holde  Wahre! 

Und  noch  ging  dein  Singsang  durch  das  Zimmer 
wie  auf  bunten  Flügeln  leicht  und  froh, 
nun  ist  alles  schwarz  verstummt,  und  wo 
leuchtet,    liebster  Schläfer,   wohl  dein  Schimmer? 

Wallt  dein  reiner  Traum  durch  Wirklichkeiten, 
die  den  Grossen  unerforschlich  sind? 
Gott,  verhüllter  Gott,  muss  denn  ein  Kind 
erst  verarmend  in  das  Leben  gleiten? 


42 


u 

Mit  den  kleinen  Händen 
greifst  nach  den  Dingen  schon, 
lausdiend  den  Kopf  zu  wenden, 
zwingt  dich  ein  jeder  Ton. 

Noch  aber  hüllt  die  Liebe 
dein  unbewusstes  Sein, 
die  ahnungslosen  Triebe 
in  ihr  Behüten  ein. 


43 


DER  KREIS 

IVjur  aus  den  Vergangenheiten 
•*■   ^    kannst  du  dir  entgegenschreiten, 
rundet  sich   dein  Weg  zum  Kreis; 
fühlst  Altvordern  dich  verbunden, 
der  du  so  zu  dir  gefunden, 
ahnts  erschauernd  was  Er  weiss : 
dass  das  Leben  Ihn  verkündet, 
der  sich  aus  sich  selbst  vollendet, 
dass  es  nicht  beginnt,  noch .  endet, 
ihm  entquellend  in  ihn  mündet. 
Ewig  auf  den  alten  Wegen 
kommst  du  werdend  dir  entgegen. 


44 


DER  TRAURIGE  MOND 

I  raurig  aus  Gestrüpp  und  Bäumen 
^    taucht  der  blasse  Mond  empor. 
Tief  in  Tränen  und  in  Träumen 
blickt  er  durch  den  feuchten  Flor. 

Und  es  fliesst  ein  silberbleicher 
Nebel  übern  hohen  Wald: 
rätselhafter,  ahnungsreicher 
wandelt  sich  der  Welt  Gestalt. 


45 


ENTFÜHRUNG 

\  \ /enn   die  leichte  Kerzenflamme 

*  •   schwelend  sich  gespenstisch  hebt, 
die  am  runden  weissen  Stamme 
zuckend  wie  gefangen  klebt, 

und  ein  Hauch  im  düstern  Zimmer 
unbemerkt  sie  plötzlich  treibt, 
dass  ihr  flüchtig  blasser  Schimmer 
schattend  einen  Kreis  beschreibt: 

fühlst  du  dich  im  tiefsten  Kerne 
wie  von  einem  Ruf  berührt, 
der  dich  in  die  grosse  Feme, 
in  die  Ewigkeit  entführt, 

fühlst  didi  über  diesem  Leben 
körperfrei  im  Wirbelwind 
lautlos  zu  den  Quellen  schweben, 
draus  die  Zeit  ins  Dunkel  rinnt. 


46 


DIE  ALTEN  BILDER 

Ich  weile  gerne  vor  den  alten  Bildern, 
die  dunkelnd  in  den  Galerien  träumen. 
Es  kommen  Fremde,  die  beflissen  säumen, 
stumm  in  den  Büchern  blättern,  die  sie  schildern. 

Ich  kenne  Bilder,  die  sich  mählich  mildern, 
und  welche,  die  sich  immer  trotzig  bäumen. 
Viele  verfallen  in  den  stillen  Räumen 
wie  trostlos  Eingeschlossne,  die  verwildern. 

Manch  eines  hab  ich  wie  ein  Weib  besessen, 
das  eines  Tages  kühl  mir  dann    entglitten. 
Verstohlen  folgen  andre  meinen  Schritten, 

die  wiederkehrend  ich  doch  stets  vergessen. 
Nur  mit  Erstaunen  mag  idi  manchmal  lesen, 
dass  alle  diese  Bilder  jung  gewesen. 


47 


JAGDMORGEN 

I       litzernder  Schnee  am  Fusse, 
^^-*'  weithin  blitzende  Schau, 
weich  in  wallendem  Grau 
der  Himmel  über  den  Fichten. 
Wird  sichs  in  dir  nicht  lichten 
zu  heiterem  Gegengrusse? 

Schleppst  trüb  in  Gottes  Odem 
dein  enges  Menschensein 
an  schmutzenden  Ketten  hinein. 
Der  Glanz  erstirbt  vorm  Brodem 
aus  deinen  Tiefen,  Seele, 
licht-  und  lebensdiele. 

Ein  Sdiatten  trübt  das  reine 
blaustarrende  Kleid  der  Hügel: 
sind  schwarze  Rabenflügel 
und  -Fänge:  Seele,  deine! 
Und  sieh,  ein  Volk  von  Dohlen 
folgt  stolpernden  Jägersohlen. 


48 


VISION 

Der  idi  einsam  in  dem  stillen  milden 
Lichte  meiner  Lampe  mich  verträume, 
schaue  plötzlich  eines  regen  wilden 
Tropenstromes  gischtend  weisse  Schäume. 

Wirr  versdilingen  sich  um  schlanke  Stämme 
der  Lianen  rankende  Gesdilechter. 
Drohend  wälzt  der  Fluss  geschwoUne  Kämme, 
scheuer  Grenzen  grollender  Verächter. 

Papagein,  die  ockergelben  feuchten 

und  getigerte  und  grüne  Sdilangen 

Fürchterlich  in  seinem  fahlen  Leuchten 

ist  ein  Fluss  durch  mein  Gemach  gegangen. 


R.  Schaukai,  Gedichte  4" 


DER  STERN 

L^Iass  unter  deinem  Hauchen, 

*— ^   o  Weihnachtstraurigkeit, 
aus  Nebelferne  tauchen 
die  Türme  der  Kinderzeit. 

Und  über  den  Türmen  funkeln 
seh  ich  den  alten  Stern, 
dann  sitz  ich  wieder  im  Dunkeln, 
verwiesen,  fern. 


50 


MEINER  MUTTER  (Ein  andres) 

Von  deiner  milden  Güte 
lass  mich  ein  leises  Lied 
dir  sagen,  Vielgemühte, 
wies  mir  mein  Herz  verriet. 

Ich  ging  in  deinem  Segen 
so  manches  Kinderjahr, 
du  brachst  auf  Rosenwegen 
die  Dornen  der  Gefahr. 

Und  als  ich  ritt  ins  Freie 
mit  hellem  Knappenblick, 
floss  deine  Gnadenweihe 
um  Fahrt-  und  Kampfgeschick. 

Gesegnetes  Gewaffen 
mir  manchen  Sieg  errang, 
und  was  ich  kühn  erschaffen, 
dir  gilt  der  Hüterdank. 

Viel  Könige  und  Helden 
gewannen  Ruhm  und  Ehr, 
mich  aber  lass  vermelden, 
wie  mir  geworden  mehr : 

Von  jedem  Glück  den  Schimmer 
erschufst  zu  Glänze  du. 
Das  Leiden  decktest  immer 
du  mit  der  Hand  mir  zu 


51 


und  bargst  das  Blut  der  Wunde, 
dass  midi  verstörte  nicht 
auch  nur  die  bange  Kunde, 
mit  lädielndem  Gesicht. 

Die  um  die  sieben  Schwerter 
duldend  den  Mantel  schlug, 
dich  ruf  ich  Unversehrter 
verkünd  Ihm  diesen  Trug, 

dass,  laden  die  Drommeten 
uns  einst  zum  Weltgericht, 
wir  beide  vor  ihn  treten 
und  seine  Mutter  spricht : 

Sieh  diese,  Herr  der  Scharen, 
sie  hielt  in  treuer  Hut, 
was  du  ihr  gabst  zu  wahren 
als  ein  geliehnes  Gut. 


52 


DAS  WORT 

Wir  könnens  nicht  begreifen 
und  fragen  immer  doch, 
wohin  die  Wolken  schweifen 
und  wie  die  Wiesen  reifen, 
und  fragen  noch  und  noch. 

Es  wird  ein  Wort  uns  tagen, 
das  über  allem  Wort. 
Dann  enden  alle  Fragen. 
Jetzt  aber  tragen,  klagen 
und  fragen  wir  so  fort. 


53 


SONNENUNTERGANG 

In  den  Fenstern  glüht  der  letzte  Schein, 
alle  Wolken  stehen  loh  in  Brand, 
in  den  Himmel  dampft  der  Rauch  hinein, 
atemlos  in  Schweigen  harrt  das  Land. 

Und  nun  ist  die  Sonne  hinterm  Berg, 
ausgelöscht  ist,  heller  Tag,  dein  Licht, 
Mensch,  lass  ab  von  mühevollem  Werk, 
lausch  der  Seele,  die  im  Kühlen  spricht. 


54 


AUS  EINEM  SONETTENKRANZ 

„HEIMAT  DER  SEELE" 

I 

Wie  hast  du  mich,   Mama,   so  manches  Mal 
in  Bangigkeit  von  dannen  fahren  sehen, 
und  ich  mit  mutigem  Lächeln  sah  dich  stehen 
und  freundlich  winken,  in  der  Seele  Qual. 

Dann  hat  mich  meines  Herzens  Lebenswahl 
für  immer  dir  entführt.     Die  Jahre  gehen, 
die  früher  tändelten  auf  leichten  Zehen, 
die  Stunden,  stürmen  wie  ein  Sturz  ins  Tal. 

Nur  selten  darf  ich  dich,  Geliebte,  küssen, 

und  immer  wieder  siehst  du  schwer  mich  scheiden, 

wir  wissen,  dass  wir  uns  entbehren  müssen. 

Mir  wachsen  Kinder  auf,  die  es  nicht  ahnen, 
was  wir,  Mama,  von  solchen  Dingen  leiden, 
die  sie  bezaubern,  wie  die  Eisenbahnen. 


55 


II 

Ich  muss  aus  allerersten  Kindertagen 
*    —  ich  weiss  nicht,  hats  die  Mutter  mir  erzählt 
und  hab   ichs  aus  den  vielen  mir  erwählt  — 
ein  mildes  grünes  Bild  im  Herzen  tragen. 

Ich  seh  mich  selbst  im   weiss   lackierten  Wagen, 
herum  sind  Bäume  —  wie  sie  mich  gequält 
mit  Schrecken  haben,    wenn  ein  Wind  sie   wählt 
und  wühlend  schüttelt;  bebend  flog  mein  Fragen: 

„Die  Bäume  wackeln!    Warum  wackeln  sie?"  — 
Doch  das  ist  eine  spätre  Melodie  .  .  . 
Die  grüne  milde  weilt  am  Vorhang,  haucht 

den  blauen  zärtlich  an  und  wiegt  auf  vielen 
besonnten  Blumen  sich,  und  Falter  spielen 
in  ihrem  warmen  Ton,  der  untertaucht. 


56 


III 

Du  bist  mir,  Mutter,  immer  noch  das  braune 
schwarzäugig  frische  Kind  von  einst  —  ich  meine 
dich  fast  zu  sehn  —  du  singst  mir  träumend  deine 
einsamen  Lieder,  und  ich  lausche,  raune, 

wie  Kinder  tun  in  weidier  Schläferlaune. 

Und  klagend  aus  den  Liedern  steigt  das  eine: 

es  plätschert  über  laute  dunkle  Steine 

und  spiegelt  mich  zuweilen,  dass  ich  staune. 

Es  ist  ein  Lied  wie  Wandern  in  die  Weite 
und  ist  die  Ewigkeit  vom  Weiterwandern, 
es  geht  nur  immer  nadi  der  einen  Seite, 

es  geht  in  Ufern,  die  sidi  höher  heben, 

es  träumt  sich  so  dahin,  getrennt  von  andern: 

es  ist  das  Lied  von  deinem,  meinem  Leben. 


57 


IV 

\  /om  Schnee,  der  auf  dem  Dach  der  Stapelräume  — 
^    ein  enger  Hof  war's  zwischen  hohen  Mauern  — 
schon  wochenlange  lagernd  mochte  dauern, 
kam  weiches  Licht  in  warme  Winterträume. 

Wenn  ich  mich  auf  dem  Wege  heim  versäume, 
—  wir  wussten's  beide  —  an  Mama  schon  kauern 
im  Dunkel  darf  das  andre,  wartend  schauern 
vor  der  Berührung;  und  obwohl  ich  schäume 

in  Ungeduld,  zu  jubeln,  bin  ich  zag 
ins  Zimmer  eingetreten,  doch  ich  schaue 
mit  angespanntem  Blick  ins  Dämmergraue 

zum  Sofa,  wo  ich  die  Verschwörer  fühle, 

die  sich  nicht  rühren.     Tastend  meid  ich  Stühle 

steh,  beuge  mich:  mir  stockt  der  Herzensschlag  . . . 


58 


V 
(An  Fanny) 

Ich  sah  dich  nachts  am  Fenster  stehn  und  weinen, 
du  hast  ganz  still  geweint  und  nicht  geklagt. 
Auch  ich  stand  still  und  hab  dir  nichts  gesagt. 
Du  hattest  heut  zum  letztenmal  an  deinen 

nährenden  Brüsten  den  geliebten  Kleinen 
säugend  gehalten.     Als  ihn  dann  die  Magd 
gebettet,  mochte  dir 's  —  du  sahst  verzagt 
ihn  von  dir  nehmen  —  wie  ein  Abschied  scheinen. 

Sechs  milde  Monde  war  es  dein  gewesen, 

das  du  geboren,  das  an  dir  gediehn, 

das  freundliche,  das  hold  vertraute  Wesen, 

nun  gabst  du  schweigend  Seligkeit  dahin. 

Du   standst  im  Dunkeln,  dunkelnd  abgeschieden, 

er  aber  schlief  in  ahnungslosem  Frieden. 


59 


ELEGIE    DER   SELIGEN   RESIGNATION 

Wenn  ich  das  Antlitz  dieser  Welt  betrachte, 
die  rätselhaften  Züge,  die  verlocken, 
bin  ich,  der  glanzgeblendet  einst  erschrocken 
getaumelt  hatte,  nah,  dass  ich  verachte. 
Was  künden  all  die  hohlgegossnen  Glocken? 
Und  keinen  sah  ich,  der  verweisend  lachte! 
Umlärmt  von   greller  Stimmen  wüstem  Kreischen, 
blick  ich  erstaunt  ins  tägliche  Zerfleischen. 

Die  Menschen  rollen  wie  geballte  Massen 
aus  leichtem  Schnee  und  wachsend  nur  im  Gleiten 
besinnungslos  vor  Lieben  und  vor  Hassen 
ins  dunkle  Gähnen  der  Unendlichkeiten. 
Und  willst  du  einen  herzlicher  umfassen, 
reisst  ihn  hinweg  der  breite  Strom  der  Zeiten. 
Den  Mantel  raffend  um  gebeugte  Schläfen, 
sinn  ich  der  Ziele,  die  sie  gerne  träfen. 

Und  all  die  Kläglichkeit  von  Menschenzielen 
umgeistert  meine  schweigenden  Gedanken: 
wie  sie  als  Kinder  froh  mit  Wünschen  spielen 
und  jeder  Schmeichelhoffnung  folgend  schwanken 
uneingedenk  der  andern,  die  da  fielen 
entseelt  an  den  erbarmungslosen  Schranken. 
Und  träumend  flieh  ich  in  das  Grenzenlose, 
zum  Firnenlicht  der  unbegriffnen  Rose. 


60 


Euch  Schwächlinge  bedenk  ich  und  beklage 
das  sinnlos  nimmermüde  Wegewandeln, 
dies  Drängen  durch  die  Hecken  dunkler  Tage, 
dies  ungestüme  Fordern,  zweifelnd  Handeln, 
und  —  bin  versucht,  dass  ich  gelassen  sage: 
es  war  doch  schön  im  Ruch  der  frühen  Mandeln, 
da  milder  Abend  manche  Sehnsucht  reifte, 
mich  mancher  Traum  vom  Leben  hold  umschweifte. 

Wer  aber  Irdisches  verflattem  hörte 
wie  einen  hohen  Flug  von  weissen  Tauben, 
wer  Wunden,  die  er  einst  im  Heilen  störte, 
entschlossen  narben  Hess,  den  blinden  Glauben 
an  Gunst  des  Glücks,  der  folternd  ihn  betörte, 
in  einer  Nacht  voll  Glanz  verstiess:   ihm  rauben 
den  friedevollen  Schlaf  nicht  mehr  Gesichte 
und  Blendewunder  weltlicher  Geschichte. 

Er  hat  sich  seinen  engen  Kreis  gezogen, 
in  dem  er  still  sein  auferlegtes  Tun, 
unwirklich  fast,  von  Zweifeln  kaum  betrogen, 
duldsam  verrichtet,  traumgekröntem  Ruhn 
als  unserm  besten  Erbteil  wohl  gewogen, 
geht  jeden  Morgen  er  in  festen  Schuhn 
gewählter  Pflicht  ans  Werk  und  gibt  dem  Leben 
an  reifer  Frucht,  was  er  ihm  hat  zu  geben. 

Doch  ragt  sein  freier  Geist  ins  Unbegrenzte: 
was  ihn  als  Leib  umgibt,  ist  nur  Gewzmdung 
der  Seele,  die  in  selige  beglänzte 


61 


Gefilde  steigt,  ein  Aar,  aus  dumpfer  Brandung 
der  Täglichkeit,  mild  nahen  sich  bekränzte 
Unsterbliche  in  strandgewohnter  Landung 
dem  Hafen  seiner  stolzen  Einsamkeit, 
und  überwunden  sinkt  und  stürzt  die  Zeit. 


62 


AN  ADALBERT  STIFTER 

Vor  seinem  Denkmal 

(Zur  Enthüllung  in  Oberplan  am  26.  August  1906) 

Aus  deines  Hochwalds  rauschendem  Gebreite, 
dem  kühl  smaragdnen,  das  in  keuscher  Flut 
stolz  wehende  Kronen  spiegelt,  glanzgeweihte, 
aufragt  dein  klares  Bild,  du  gütig-weiser 
menschlichster  Mensch  und  sanfter  Lebenspreiser, 
auf  deiner  freien  Stirn  die  letzte  Glut 
sinkender  Sonne,  tief  im  Aug  ein  Leuditen, 
als  hielte  sich  ein  Tränlein  dort  versteckt, 
das  deine  Wange,  zärtlich  gleitend,  feuchten 
wohl  wollte,  doch  du  wehrtest  ihm  mit  Macht, 
hast  deine  Brust  mit  einem  Ruck  gereckt 
und  sahst  der  Sonne  nach  und  zucktest  nicht, 
mochte  dir  Weh  audi,  wühlendes,  so  schwer, 
o  bergesdiwer  und  dunkel  wie  die  Nacht, 
das   Herz   bedrängen  .    Langsam    sdiied   das 

Licht   .    . 
Nun  aber  wars,  als  ob  dein  Mund  sich  senkte, 
und  Falten,  herbe  Falten  gruben  sich 
im  Dämmersdiatten  deinem  Antlitz  ein, 
wie  wenn  ein  stumpfer  Pflug  sich,  kümmerlich 
bespannt,  im  Acker  schöbe,  den  ein  Harter  lenkte : 
und.  Milder,  diese  Furchen  blieben  dein! 
Und  deine  Augen,  wanderten  sie  jetzt. 


63 


verhüllt  und  scheu  wie  schweigend   weggewiesne 
Fremdlinge,  heimatlose,  dem  Geklüfte 
der  Seele  zu,  Verstössen  und  verletzt?  .... 
Dies  war  dein  Schicksal,  Sanfter!    Linde  Lüfte, 
schmeichelnde  Abendlüfte  der  Verehrung,  sind 
heut  um  dein  Haupt,  das  weit  im  Land  gepriesne, 
dein  Leben  aber  schritt  im  scharfen  Wind 
durch  Einsamkeiten  hin:  ein  Dichterleben! 
Heut  hat  dir  jedes  Kind  ein  Wort  zu  geben, 
draus  Liebe  duftet.  .  .  .    Lieblichster  Verkünder 
der  Herrlicheit  der  Welt,  ob  du,  Ergründer 
der  Einigkeit  aller  erschaffnen  Dinge, 
hemiederschwebst  aus  Gottes  höchstem  Ringe, 
im  Grase  weilest,  das  verstohlen  funkelt 
vom  Silbertau  der  Morgenhoffnung,  leise 
den  Abendstern  beschwörst  mit  süsser  Laute, 
während  der  Wald  verlassen  sich  verdunkelt, 
ob  du  des  Blutes  sinnverwirrend  jähe 
Gewalt  besänftigest  mit  kühlen  Händen 
—  Grossvaterhände,  ganz  ergebne,  traute!  — 
ob  du  geneigt  belauschest  jede  Weise, 
die  flüsterndste  der  traumumflorten  Flur, 
der  Blätter  raunend  Rieseln,  das  Gestöhn 
des  Stamms  im  Sturm,  das  gläserne  Getön 
des  Schilfs;  beschleichst  der  Rehe  Spur, 
der  weich  hintrabenden,    im   Ried,   das  Leuchten 
des  trägen  Stroms  entlang  gespenstigen  Weiden; 
Nah-nächster  allem  keusch  verschwiegnen  Leiden, 
Barmherzigster  den  scheuen  heimwehfeuchten 
Blicken  der  Kinder,  die  das  Grauen  ahnen, 
das  rätselhafte,  öder  Wanderstrassen. 

64 


Holdseligster  dem  Leiden  sanfter  Frauen: 
du  allen  innerlichsten  Ebenmassen, 
den  unbekannten  tief  bewussten  Planen 
ganz  Angemessner,  ja,  du  durftest  schauen 
mit  seligen  Augen,  wo  wir  wankend  wähnen, 
verzweifeln  am  Begreifen  und  verzagen 
mit  zitternden,  mit  lauten  Sklavenzähnen: 
du  hattest  Gott,  du  konntest  ihn  ertragen! 
Und  Gott  hat  Schlichten  didi  erhöht  wie  keinen, 
vor  deinem  Wesen  blassen  bunte  Worte 
und  gleidien  ausgelöschten  Edelsteinen 
im  Strahlenglanz  aus  Seiner  Gnadenpforte! 


R.  Schaukai,  Gedichte 


65 


REMBRANDT,  DER  KÜNSTLER. 
EINE  VISION 

Schon   glühten    im    Kamin  die  letzten  Scheite 
und  schwerer  lastete  die  Nacht  i  m  Räume : 
da  war  es  mir,  als  ob  aus  meinem  Traume 
wachsend  ein  starker  Schatten  sich  verbreite. 

Und  schwoll  und  ward  von    abertausend  Chören 
ein  über  Welten  wallender  getragen 
und  war  zugleich  ein  brausend  Flügelschlagen, 
hoch  über  allem  armen  Menschenhören. 

•  Und  als  der  Donnerschall  der  Ewigkeiten 
zur  eisigen  Ruhe  flutend  sich  ergossen, 
war  mir  der  Schauer  tief  ins  Herz  geflossen 
vorm  grausen  Schweigen  der  erstarrten  Zeiten. 

Das  ist  im  regungslosen  Sternenlichte 

der  wunderbare  Wagestand  der  Gleiche, 

auf  schwindelnd  sdiroffem  Grat  im  Zwischenreiche 

die  seltne  Weihestunde  der  Gesichte. 

Nun  ist  mir  Madit  verliehen,  zu  beschwören, 
nun  ist  mir  Kraft  gegeben,  zu  gestalten: 
ich  darf  euch  bannen,   herrschend  euch  zu  halten 
und  kann  geheimnisvolle  Kunde  hören. 

Sdion  fühl  ich  eudi  lebendigste  Verwandte 
herangedrängt  an  dieser  Stunde  Feuer, 
vertraut  begrüss  ich,  was  als  ungeheuer 
den  bange  Nahenden  sonst  übermannte. 


66 


Und  einen  ruf  ich  aus  dem  sdiwangern  Schweigen, 
in  dem  sie  meine  Flamme  mir  umschauern: 
„Du,  dem  auf  breiter  Stirne   Wolken  kauern, 
geruhe,  Grosser,  in  den  Kreis  zu  steigen!" 

Sein  Haupt  war  aber,  als  es  bleich  enttauchte 
dem  Dunkel,  sdiwer  mit  herbem  Leid  beladen 
der  quälenden  Beschwörung,  doch  der  Gnaden 
dreifache  Krone  krönte  das  erlauchte. 

Alsbald  begann  der  Mund,  der  lang  versdiwiegne, 
glutend  begann  das  Aug  sich  zu  beleben, 
un^/ vor  der  Geister  weichendem  Verschweben 
schritt   die   dem  Schoss  der  Ewigkeit  entstiegne, 

sdiritt  Rembrandts  Stimme :  „Deiner  Seele  Rufen, 
das  mich  aus  der  Verehrung  Kreisen  störte, 
der  Sehnsudit  Not,  die  flehend  unerhörte, 
was  will  so  nahe  sie  vor  Gottes  Stufen?" 

Und  ich  darauf:   „Der  du  bei  Lebenszeiten 
der  Quellen  Rauschen  hörtest  in  der  Stille, 
dem  sich  geoffenbart  des  Schöpfers  Wille 
in  diesem  Tal  schon  der  Vergänglichkeiten, 

der  du  der  Seelen  scheues  Dämmerweben 
ans  Licht  gehoben  hast  mit  Magierhänden, 
gebietend  dem  Geheimnis  der  Legenden 
und  unserm  Lebenstraum  Gestalt  gegeben, 

der  du  mit  deinem  Blicke  der  Sibyllen 

die  Flammenblitze  jäher  Widerscheine 

auffingst  und  zaubernd  kleidetest  in  deine, 

die  rätselhaftesten  der  Farbenhüllen, 

5*  67 


verkünde  mir :  wo  ist  das  ewig  Wahre  ? 
Ist  es  in  diesem  unserm  Schlaf  und  Wachen, 
im  Grün  und  Reif  der  Flur,  der  Mädchen  Lachen, 
Gebirgen,  Städten,  Schiffen,  Bett  und  Bahre? 

Warum,  wenn  dieses  unser  echtes  Erbe, 
warum  vermag  es  plötzlich  zu  zerstieben 
vor  Versen,  Farben,  Klängen,  die  wir  lieben, 
als  ob  die  Welt  mit  ihrem  Schwinden  sterbe? 

Warum,  wenn  uns  die  Kunst  auf  Riesenhänden 
aus  Qual   und   Qualm  erhebt  der  Menschentage, 
sind   wir  so  leicht,    als  ob  ein  Hauch  uns  trage, 
warum  so  schwer  dann  zwischen  unsern  Wänden? 

Wo  ist  die  Wahrheit?     Hinter  diesen  Spiegeln, 
die  sich  verhundertfältigt  rings  erneuen? 
In  unsrer  Notdurft  stierem  Wiederkäuen? 
Schläft  sie  verschlossen  unter  hundert  Siegeln? 

War  sie  bei  Kindern,  die  sie  dann  vergassen? 
Kommt  sie  zu  Greisen,  die  sie  nicht  mehr  sagen? 
Kauert  sie  in  der  Kranken  fremden  Klagen? 
Gibt's  Stummgeborne,    die  sie  stumpf  besassen? 

Hat  sie  sich  Schwertern  schwesterlich  verschworen  ? 
Lungert  in  Lumpen  sie  auf  Kirchenstufen? 
Stürmt  sie  mänadisch  aus  den  Kelterkufen? 
Wo  ist  die  Wand,  die  Weise  trennt  von  Toren? 

Sag  mir,  du  Mensch  der  Menschen,  Sturmersteiger 

der  Firnenferne  heiliger  Gottesnähe, 

sag  mir,  was  will  dies  immer  wieder  jähe 

Stillstehn  der  frongewohnten  Stundenzeiger? 

68 


Da  hob  er  seine  Hand,  mir  zu  begegnen, 
und  wehrte  meinem  ungestümen  Fragen: 
„Ich    darf  dir  nichts  von  dieser  Wahrheit  sagen, 
kann  keinen  Mensdien  mit  Gewissheit  segnen. 

Dies  aber  merke:  nicht  in  Himmelsklarheit, 

nicht  in  der  unversehrten  Augenweide 

der  Söhne  Gottes  am  erhabnen  Kleide: 

im  Wagen  und  Verzagen  wird  euch  Wahrheit. 

Und  wie  die  Mutter  an  der  ersten  Wiege, 
und  wie  der  Sohn  an  seines  Vaters  Sarge 
in  Seligkeit,  in  Qual  das  stete  karge 
Dasein  verwindend  plötzlich  vor  der  Stiege 

auf  Augenblicke  steht,  die  aus  dem  Leben 
hinüberführt  ins  Zeit-  und  Grenzenlose, 
wie  eine  Braut  aus  der  erblühten  Rose 
den  Duft  einatmet,  süss  dahingegeben 

an  das  Geheimnis  ihrer  Weibersendung: 
so  hat  der  Künstler  vielfach  zugemessen, 
was  jene  einmal  fühlen  und  vergessen: 
er  träumt  sie  immer  wieder,   die  Vollendung. 

Und  was  er  stets  aufs  neu  im  Wunderahnen 
empfängt   aus    dem  verheissnen  Land  der  Feme, 
vertraut  ihm  und  unfassbar  doch  im  Kerne, 
die  bange  Sehnsucht  ist  ein  Heimatmahnen. 

Nicht  in  der  Welt  der  Formen  und  Gestalten, 
in  seiner  Brust  nur  hat  er  es  zu  eigen, 
er  darf  es  nimmer  auch  den  andern  zeigen : 
was  ihm  die  Gnade  gibt,  kann  er  nicht  halten. 

69 


Und  nur  wer  selbst  im  Reich  der  Übermasse 
gewohnt  ist,  wie  ein  Kind  im  Gras  zu  schreiten, 
den  wird  geheime  Wissenschaft  begleiten 
durch  unsrer  Werke  graue  Gräberstrasse! 

Nur  Maler  über  Grüften  sind  die  Werke, 
darin  das  heimlich  uns  Geoffenbarte 
des  Bildners  nimmermüde  Hand  verwahrte, 
die  gottergebne  Hand  der  Demutstärke. 

Wenn  du  dereinst  wirst  preisend  Ihn  beteuern 
im  dreimal  heiligen  Ring  des  Ewig-Einen, 
wirst    du  begreifen,    dass  auch  wir  nur  scheinen, 
die  wir  als  Schöpfer  seine  Welt  erneuern. 

Denn  all  das  ist  nur  Schein,  was  wir  vollenden, 
ein  blasses  Gleichnis  seiner  Wirklichkeiten. 
Auf  jeder  Stufe,  die  wir  überschreiten, 
müssen  wir  uns  nach  seiner  Seite  wenden. 

Dies  gilt  von  jeglichem  Geschöpf  auf  Erden: 
denn  alle  Wesen  in  den  vielen  Kreisen, 
die  lebend  seine  Gegenwart  beweisen, 
werden  erst  wirklich  in  der  Heimat  werden. 

Wir  waren  alle  einmal  sdion  darinnen. 
Davon  ist  ein  Erinnern  uns  geblieben, 
das  plötzlich,  manchmal  unterm  Flockenstieben, 
manchmal  in  eines  Waldes  Dämmerspinnen, 

uns  überfällt.     Doch   die  wir  Künstler  nennen, 
die  wissen  mehr  davon  und  sind  so  reicher 
und  —  ärmer  drum  als  jene  Tagesschleicher, 
die  ihren  Ursprung  immer  doch  verkennen. 
70 


Wenn  ich  euch  aber  Werke  gab  zu  schauen, 
nichts  künden  sie  als  meine  Herzensfährden, 
in  ihren  unbegreiflichen  Gebärden, 
in  ihren  Händen,  Stirnen,  Knien  und  Brauen 

sind  Zeichen  meiner  Wanderschaft  gesdirieben 
zu  den  Gefilden  unsrer  Gottessüchte. 
Nehmt  sie  als  dunkel  tastende  Gerüchte: 
die  Wahrheit  ist  ja  doch  in  mir  geblieben!" 


71 


Neue  Nachdichtungen  aus  dem 
Französischen 


NACH  CHARLES  BAUDELAIRE 


DER  FEIND 

Nur  selten  hat  ein  jäher  Sonnenschein 
der  Jugend  Wetterdunkel  mir  gelichtet, 
in  meinen  Garten  brachen  Güsse  ein, 
fast  alle  Frucht,  die  reifte,  ward  vernichtet. 

Und  es  ist  Herbst.    Ich  soll  die  Schaufel  führen. 
Es  starrt  von  Löchern,  die  voll  Wasser  stehn. 
Muss  ich  zu  neuer  Müh  mich  wieder  rühren, 
der  ich  Verwüstung  stets  am  Werk  gesehn? 

Ob  diese  neuen  Blumen,  die  idi  träume, 
in  solchem  Boden  je  Gedeihen  finden? 
Werden  die  Wurzeln  dorrend  nidit  verschwinden  ? 

O  namenloser  Schmerz!  Ich  zaudre,  säume, 
und  grausam  schlürft  der  finstre  Feind,  die  Zeit, 
mein  Blut,  mein  Herz,  verzehrt  midi  und  gedeiht. 


77 


DER  ALBATROS 

Gern  fangen,  sich  die  Weile  so  zu  kürzen, 
einen  der  grossen  Vögel  die  Matrosen, 
laut  lachend  sehen  sie  den  ahnungslosen 
Reisebegleiter  auf  die  Planken  stürzen. 

Erbärmlich  müht  er  sich  hinwegzudringen, 

er  schleift  verstört,  der  königliche  Flieger, 

des  Ungefügen  spotten  laut  die  Sieger, 

wie   schwere  Ruder  hinten   nach    die    Schwingen. 

Den  riesenhaften  Schattens  durch  die  Weiten 
die  freien  Flügel  herrscherstolz  getragen, 
muss  Augenweide  plumper  Lust  bereiten: 
er  humpelt  hässlich,  Hohn  verfolgt  den  Zagen. 

Der  Dichter  gleicht  dem  Fürsten  im  Azur: 
er  sucht  den  Sturm,  er  trotzt  dem  schwachen  Bogen, 
doch  merkt  er  unterm  Volke  landend  nur, 
dass  ihn  sein  hoher  Flug  ums  Gehn  betrogen. 


78 


DON  JUAN  IN  DER  HÖLLE 

Als  Don  Juan  am  düstern  Strome  stand 
und  Charon  seinen  Obolos  bekommen, 
hat  eines  finster-stolzen  Bettlers  Hand 
zur  Rache  stark  die  Ruder  aufgenommen. 

Die  schlaffen  Brüste  im  zerrissnen  Kleid 
wiesen  ihm  Weiber  mit  gerungnen  Händen, 
und  hinter  ihm  schwoll  aus  der  Dunkelheit 
Geheul  der  Opfer  hallend  an  den  Wänden. 

Und  während  Leporello  seinen  Lohn 
lachend  verlangt,  zeigt  zitternd  allen  Toten 
der  greise  Vater  den  verruchten  Sohn, 
der  einer  weissen  Stirne  Trotz  geboten. 

Dass  durch  das  Lächeln  seiner  Liebesschwüre 
er  die  Betrogene  zum  letztenmal 
wie  in  der  ersten  süssen  Zeit  verführe, 
erfleht  Elvire  fröstelnd  vom  Gemahl. 

Aufrecht,  gerüstet,  riesig  stand  am  Steuer 
der  Steinerne    und  schnitt  die  schwarze  Flut. 
Jedoch  der  stolze  Herr  der  Abenteuer 
hat  ihrer  keinen  anzuschaun  geruht. 


79 


I     jein  Schritt  in  schimmernder  Gewänder 

Schmiegen 
gleicht  glatter  Schlangen  taktgeruhigem  Tanz, 
die   unterm  Stab    sich   des  Beschwörers   wiegen 
emporgereckt  aus  ihrer  Leiber  Kranz. 

Wie  tauben  Meers  herangewälzte  Welle, 
wie  rote  Woge  mitleidlosen  Sands  — 
darüber  hoch  ein  Himmel  ohne  Helle  — 
entfaltet  sich.  Gelassenste,  dein  Glanz. 

Nie  künden  dieser  Augen  kalte  Steine 
das  Rätsel  ihres  Wesens:  Engelreine 
geschwistert  einer  Sphinx  geheimnivoll. 

Die  wie  von  Gold,  Stahl  und  Demanten  schimmert, 
die  nutzlos  als  ein  Stern  im  Finstern  flimmert, 
die  Frau,  die  keine  Früchte  tragen  soll. 


80 


DUFT  DER  FERNE 

Geschlossnen  Auges  deiner  heissen  Brüste 
Duft  atmend   in   der  Sommerabendschwüle, 
entrücken  mich  die  dämmernden  Gefühle 
an  eine  sonnenflutend  selige  Küste. 

Begnadetes  Gestade:  das  Gerüste 

seltsamer  Bäume  starrt  am  Blumenbühle 

von  reifer  Früchte  prangendem  Gewühle. 

Der  franke  Blick   der  Fraun  hehlt  kein  Gelüste; 

die  Männer  schreiten  in  geschmeidiger  Kraft. 
Von  deinem  Duft  zu  fernem  Reiz  entrafft, 
schau  angefüllt  mit  segelhellen  Masten 

den  Hafen  ich,  trinke  der  Tamarinden 

grünen  Geruch,    dem,   dünkt  mir,  sich  verbinden 

Lieder  der  Schiffer,  die  von  Fahrten  rasten. 


R.  Schaukai,  Gedichte  81 


VERHÖR  UM  MITTERNACHT 

Die  Wanduhr  meldet  Mitternacht. 
Ich  höre  Hohn    in  ihrem  Sdilage. 
Was  hast  du,   fragt  sie,  Mensch,  gemacht 
mit  diesem  nun  gewichnen  Tage? 
Freitag,  der  dreizehnte,  zu  sehr 
nur  hat  er  den  Verruf  bekräftigt! 
Heut  hab  ich   mich  als  Heide,  mehr: 
als  Ketzer  sdinöde  mich  beschäftigt. 

Idi  habe  den  gelästert,  dessen 
Name  vor  allen  andern  strahlt, 
prassend  am  Protzentisdi  gesessen, 
gegrinst,  wo  Pöbel  plump  geprahlt, 
höchst  würdiger  Vasall  der  Geister, 
der  platten  Menge  mich  gesellt, 
feig  im  Verleugnen  meinen  Meister 
und  in  Lobhudelei  gestellt. 

Gekränkt  hab  idi,  ein  feiler  Scherge, 
den  Schwadien,  den  man  schändlich  höhnt, 
habe  dem  Götzen  blinder  Zwerge, 
der  glotzenden  Vernunft,  gefröhnt; 
dem  stumpfen  Stoff  hab  idi  gespendet 
im  Schmatze  meinen  Sklavenzoll, 
von  der  Verwesung  Glast  geblendet, 
geehrt,  was  ich  verachten  soll. 


82 


Und  endlich  hab  ich,  Herr  der  Leier, 

ich,  stolzer  Priester,  dessen  Ruhm, 

zu  künden  düsterroter  Feier 

verschwiegnen  Rausch  im  Heiligtum, 

im  Wahn  den  Taumel  zu  versenken, 

den  Leib  mit  Speisen  angefüllt, 

ihn  übersdiwemmt  dann  mit  Getränken  —  — 

Lisch,  Licht,  dass  mich  das  Dunkel  hüllt! 


6*  83 


BEGRÄBNIS  EINES  VERFEHMTEN 
DICHTERS 

Wenn   deinen  Leib  in  einer  finster- 
lastenden Nacht  ein  guter  Christ 
verscharrt,  wo  zwischen    feistem  Ginster 
Gerumpel  aufgestappelt  ist, 

wird,  wenn  der  Schein   der  keuschen   Lichter 
im  Frösteln  vor  dem  Tage  lischt, 
die  Spinne  dir,  verfehmter  Dichter, 
Vergessen  weben.     Züngelnd  zischt 

die  feuchte  Natter,  die  da  heckt, 
du  hörst  ob  deinem    Haupte  kläglich 
hungrige  Wölfe  heulen;  täglich 

kreischen  hier  Hexen;  lüstern  fauchen 
Greise ;  geschwärzte  Schelme  schmauchen 
und  schmieden  Schliche  hier  versteckt. 


84 


NACH  PAUL  VERLAINE 


NEVERMORE 

Was   mahnst   du    midi,    mein   Herz,   an    alte 
Zeiten!  .  . 
Die  Drossel  fliegt.     Von  gelben  Blättern  gleiten 
kraftlose  Strahlen,  raschelnd   hör  ich  schreiten 
den  Wind  durch  welkende  Vergangenheiten. 

Wir  gingen  beide  schweigend,  Hessen  Haar 
und  Träume  leise  flattern,  und  mir  war, 
als  sdileppte    müd    sich    hinter    uns  das  Jahr. 
Da  blicktest  du  midi  an  so  sonderbar 

und  fragtest  —  hör  ich  doch  den  goldnen  Klang 
noch  ihrer  süssen  Stimme!  — :  „Welchen  Tag 
wirst   du   dereinst   den  schönsten   nennen,    sag?" 

Ich  küsste  ihre  Hand  und  hielt  sie  lang  .  .  . 

Ach,  wie  die  ersten  Blumen  duften  keine, 

und  nie   mehr   klingt  ein   Ja   süss  wie    das  eine! 


87 


SCHÄFERSTUNDE 

j  Jer  Mond  ist  rot,  der  Himmel  trüb  und  schwer. 
•L^  Schon  schläft  die  Wiese  in  dem  blassen  Rauch, 
der  schieiernd  steigt.    Vom  Schilf,  das  weich  ein 

Hauch 
durchschauert,  kommt  der  Ruf  der  Unken  her. 

Nun  schliesst   den  Kelch   die  weisse  Wasserrose, 
die  Pappeln  wandern  steif,  bis  unbestimmt 
im  weiten  Land  ihr  schmaler  Schatten  schwimmt. 
Es  glüht  im  Strauch,  funkelt  im  feuchten  Moose. 

Die  Fledermäuse  wachen  auf  und  gleiten 
lautlos  durchs  Dunkel  mit  den  schweren  Schwingen. 
Ein  fahles  Leuchten  zögert  durchzudringen:    ' 
da  taucht  mein  Stern  aus  den  Unendlichkeiten. 


88 


DER  SPIESSER 

Gemeindehäuptling  und  Familienvater. 
Das  Bild  der  Würde.  Bis  ans  Ohr  im  Kragen. 
Er  träumt  und  blinzelt.     Die  Pantoffeln  tragen 
den  ganzen  Frühling.     Was  ist  dem  Berater 

des  öffentlichen  Wohles  das  Theater 

des  Firmaments,  was  will  der  Sang  besagen 

der  Nachtigall,  das  monotone  Sdilagen! 

Im  Wald  ist's  feucht,  ein  Vogel  ist  kein  Kater. 

Er  hat  was  Wichtigers  zu  denken,  ja  —  : 

ein  Freier  ist  um  seine  Tochter  da, 

hat  Geld  im  Sack  und  geht  auf  Doppelsohlen. 

Die  Versemadier  soll  der  Teufel  holen, 

die  Hungerleider!  .  .     Die  Pantoffeln  tragen 

den  ganzen  Frühling.    Höher  kriedit  der  Kragen. 


89 


ALTE  WEISE 

Rosig  schon  schimmern  im  ergrauenden  Scheine 
die  Tasten  unter  ihrer  schmalen  Hand. 
Durchs  Dämmern,  das  ihr  Duft  erfüllt,  schwebt  eine 
bescheidne  liebe  Weise,  wohlbekannt 
aus  alten  Tagen,  am  verblassten  Band 
sehr  zarter  Töne,  zag,  wie  wenn  sie  weine. 

Wie  kommt  mich  plötzlich  dodi  ein  Schläfern  an? 
Mein  armes  Herz  wiegt  sidi  in    sanften  Wonnen 
Willst  du  midi  hold  betören,  süsser  Wahn? 
Hast  du,  du  weicher  Klang,  mir  das  getan, 
der  in  die  Nacht  enteilend  schon  zerronnen 
durchs  Fenster  in  den  Garten  vom  Altan? 


90 


I      ass  wechselseitig  uns  Verzeihung  üben: 
*— ^  so  werden  wir  gewiss  noch  glücklich  werden, 
und  kommen  dann   die  nicht   ersparten  Fährden, 
so  werden  wir  gemeinsam  uns  betrüben. 

Lass  unsre  schwesterlichen  Seelen  lernen, 
verborgnem  Wunsdi  die  Süssigkeit  vereinen, 
die  kindische,  dass  wir  verbannt  nur  scheinen, 
freiwillig  von  den  Menschen  uns  entfernen. 

Wir  wollen  Kinder  sein,  die  staunend  leben, 
wir  wollen  schwärmerisdien  Mädchen  gleichen, 
die  im  versdiwiegnen  Laubengang  erbleidien, 
nidit  ahnend,  dass  man  ihnen  längst  vergeben. 


91 


SCHLICHTES  LIED 

Hört  meines  Liedes  milde  Weise, 
vergebt  ihm  sein  verstohlnes  Weinen, 
es  ist  so  sanft:  man  möchte  weinen, 
ins  Moos  versickern  Tropfen  leise. 

Erkanntet  ihr  die  trübe  Stimme? 
Sie  klang  einst  hell  in  bessern  Tagen 
und  muss  nun  so  verschleiert  klagen! 
Das  tat  die  Zeit  an  ihr,  die  schlimme. 

Bald  vor  des  Herbstwinds  rauhen  Stössen 
fröstelnd  verhüllt  sie  dicht  die  Wahrheit, 
bald  wieder  wagt  in  Sternenklarheit 
die  strahlende  sie  zu  entblössen. 

Und  die  ihr  wieder  habt  vernommen, 
die  Stimme  singt  ihr  Lied  vom  Lieben. 
Ach,  Neid  und  Hass,  vorm  Tod  zerstieben 
sie  wie  die  Nadit,  wenn  Lichter  kommen. 

Sie  singt:  Die  eitelm  Wunsch  entsagen, 
die  werden  ihren  Frieden  finden, 
und  die  vorm  Sieg  sich  überwinden, 
die  werden  goldne  Kronen  tragen. 

Dem  schlichten  Lied  an  eurer  Schwelle 
verschliesst  euch  nicht,  hört  es  mit  Güte! 
Wer  sich  um  andre  tröstend  mühte, 
dem  wirds  im  eignen  Busen  helle. 

Die  Seele,  die  geduldig  leidet, 
wird  ihre  Strasse  weiter  wallen. 
O  lasst  euch  ihren  Rat  gefallen! 
Sie  will  euch  segnen,  eh  sie  sdieidet! 
92 


Mir  ist,  ich  hörte  Stimmen 
überm  Gemurmel  sdiweben, 
ich  fühle  die  Fernen  beben 
in  schwellendem  Erglimmen. 

Was  flimmert  im  Gesdiwele? 
Ein  Lied  will  mich  entrüdcen. 
Vor  taumelndem  Entzücken 
entschwindet  mir  die  Seele. 

O  nur  nidit  mehr  erwadien! 
Lass  gleiten,  lass  versinken 
die  Stunden  und  ertrinken 
um  unsem  seligen  Nadien! 


93 


I     |as  ist  das  verzückte  Schmachten, 

*-^   das  selige  Umnachten 

der  Liebe,  ist  im  Wind 

das  Rieseln  der  Blätter  im  Walde, 

ist  wie  durch  die  Gräser  der  Halde 

ein  Rauschen  rinnt; 

ist  wie  der  Vögel  Geschwirre, 
das  zwitsdiemde  Gewirre, 
im  Laub;  ist  wie  im  Bach 
über  den  klirrenden  hellen 
Kieseln  das  Wirbeln  der  Wellen. 

Die  so  zu  zweien  klagen, 
sich  leise  bebend  sagen 
von  ihrer  Seele  Not, 
sind  wir  das,   die  im  Düstern 
von  unsern  Qualen  flüstern, 
den  Blick  im  Abendrot? 


94 


Unendlldies  Weh 
in  der  schweigenden  Weite, 
wie  Sandgebreite 
schimmert  der  Sdinee. 

Der  Himmel  thront, 
ein  kupfernes  Becken, 
ein  starrender  Schrecken, 
es  stirbt  der  Mond. 

Wie  Schatten  ziehn 
die  grauen  Eichen 
im  wogenden  bleichen 
Dunst  dahin. 

Der  Himmel  thront, 
ein  kupfernes  Becken, 
ein  starrender  Schrecken, 
es  stirbt  der  Mond. 

Ihr  Wölfe  und  Krähen, 
verhungert  Getier, 
was  sucht  ihr  hier 
im  eisigen  Wehen? 

Unendliches  Weh 
in  der  schweigenden  Weite, 
wie  Sandgebreite 
schimmert  der  Schnee. 


95 


NACH  STEPHANE  MALLARME 


7         R.  Schaukai,  Gedichte 


MEERESBRISE 

Mein  Leib  ist  müd,  und  alle  Bücher  schweigen. 
O  fliehn,  hinüberfliehn !  Ich  fühls,  die  Vögel 

steigen, 
vom    Schaumgeflock    der   Wogen    trunken,    hodi 

ins  Blau! 
Nichts,  nicht  der  alten  Gärten  träumerisdie  Schau 
kann  dieses  bange  Herz  vom  Meeresdrang  befrein ; 
nodi,  tiefe  Nädite,  der  verlassnen  Lampe  Schein, 
der  überm  leeren  weissen  Bogen  schwelend  liegt; 
das  Kind  nicht,  junge  Frau,  der  Mutter  ange- 
schmiegt. — 
Ich  scheide!  Dampfer,  schlank  mit  Masten  ragend 

schwanker, 
zu  fremden  Küsten  lichte  schleunig  deine  Anker! 
Noch  glaubt,  von  seinen  Wünschen  grausam  schon 

verlassen, 
mein  Weh  an  Tüdier,    die  am  Strande  winkend 

blassen!  — 
Sind  diese  Masten,  die  ihn  stolz  zu  rufen  scheinen, 
dem  Sturm  zur  Beute  sdion  bestimmt,  statt  mich 

zu  meinen 
Inseln  zubringen,  drüben?  Wartet  schon  das  Riff? 
Horch,  o  mein  Herz,  Gesang  erfüllt  das  schnelle 

Schiff! 


99 


HERODIAS 

Die  Amme: 

Bist  du  es,  Fürstin  ?  Träumt  mir  ?  Ach,  erlaube, 
die  Ringe  dir  zu  küssen,  dass  ichs  glaube! 
Nicht  mehr  im  Unbetretnen  .  .  . 

Herodias: 

Bleib!    Die  Flut, 
die  blonde,  meiner  Haare,  macht  mein  Blut 
erstarren,  wenn  sie  mir  das  Fleisch  besprüht, 
und  meine  Haare,  die  das  Licht  durchglüht, 
sind  sterblich  nicht  wie  du!  Dein  Kuss  ist  Mord, 
war  Schönheit  nicht  schon  Tod  . . .  Was  zog  mich  fort, 
was  für  ein  banger  bleicher  Morgenschein, 
durch  Nebelfernen  dämmernd,  lud  mich  ein?  — 
Du,  Winter  meiner  Amme,  sahst  midi  gehn 
in  das  Verliess  der  Löwen,  lässig  stehn 
im  dumpfen  Duft  der  königlichen  Mähnen, 
der  hundertjährigen,  doch  kannst  du  wähnen, 
wie  es  mich  schauderte?     Fern  im  Exil 
verweilt  mein  Traum :  wie  vor  der  Wasser  Spiel 
zerpflück  ich  meine  bleidien  Lilien  alle, 
und  ihrem  Schweben,  ihrem  Flockenfalle 
folgen  gebannt  die  Löwen  durch  mein  Schweigen, 
dem  Saum  des  Kleides  näher  schleichend,  neigen 
sie  meinen  Füssen  sich,  die  wohl  das  Branden 
der  Meereswogen  stillten,  leise  landen 
die  wilden  hiessen.      Also  still  auch  du 
des  greisen  Fleisches  Lüste,  da,  sieh  zu, 
hilf  mir  mein  wildes  Haar  —  muss  dich  doch  quälen 
die  Mähnenmiene  —  vor   dem  Spiegel   strählen. 
100 


Die  Amme: 

Soll  ich  dem  Haar   die  heitre  Myrrhe   spenden? 
Soll  ich  der  welken  Rosen  Saft  verwenden, 
den  düsterroten,  den  sie  rühmen? 

Herodias: 

Lziss! 
Du  weisst  es  doch,  dass  ich  sie  nur  mit  Hass 
betrachten  kann,  die  duftenden  Gefässe! 
Willst  du,  dass  mich  die  Trunkenheit  besässe, 
die  ihrem  Hals  enthaucht?     Den  Blumen  mag 
mein  Haar  nicht  gleichen,  die  den  trüben  Tag 
der  Menschen  buhlend  heitern,  es  ist  Gold, 
jungfräulich  reines:  ob  es  funkelnd  rollt 
oder  in  matter  Blässe  kühl  sich  schmiegt, 
nie  sei  von  sdimeichelndem  Geruch  besiegt 
das  trotzige  Metall,  das  blank  und  glatt 
stets  Waffen  und  Geschmeid  gespiegelt  hat! 

Die  Amme: 

Geh  nicht  mit  grauen  Jahren  ins  Gericht: 
mein  müder  Kopf  vergass  Gebot  und  Pflicht. 

Herodias: 

Genug  davon!     Den  Spiegel  halte  mir  .  .  . 
Wie  oft,  von  Träumen  matt,  kam  ich  zu  dir 
und  spähte,  Spiegel,  wieder  ins  erfrorne 
gerahmte  Wasser,  sudite  das  Verlorne, 
die  welken  Blätter  der  Erinnerungen 
tief  unterm  Eis,  und  hab   didi  nie  bezwungen, 
nur  meinen  Schatten   sah  ich  in  der  Feme  .  .  . 

101 


Dodi  mandimal  aus  der  schweigenden  Zisterne 
stieg   nackt    mein    Traum    empor    und    schreckte 

mich  .  .  . 
Sag,  Amme,  bin  ich  schön? 

Die  Amme: 

Wie  preis  ich  dich*^ 
du  Stern!     Doch  da,  die  Fledite  fällt  .  .  . 

Herodias: 

Hinweg ! 
Wag  soldien  Frevel  nicht!    Der  jähe  Schredc 
vor  der  Gebärde  nur  lässt  jede  Welle 
des  Blutes  starren  bis  hinauf  zur  Quelle! 
Fluch  dieser  lästerlichen  Hand!    Verkünde, 
was  für  ein  Dämon  treibt  dich  so  zur  Sünde? 
Der  Kuss  zuerst,  die  Salben,  nun  die  Hand!  — 
Ich  schaudre!    Dieser  Tag  —    o,  ich  empfand 
es  ahnend!  —  birgt  im  Schoss  noch  mehr! 

Die  Amme: 

Verhüts  der  Himmel  gnädig!     Freilich  sehr 
seltsam  ist  diese  Stunde  ...  Schattenhaft, 
einsam  schweift  Ihr  durch  Eure  Leidenschaft, 
seht  Euch  entsetzt  in  früher  Reife  blühen,  — 
anbetungswürdig  doch  in  diesem  Glühen 
kindlicher  Schönheit  .  .  .! 

Herodias: 

Wagst  es  einmal  noch? 

Die  Amme: 
War'  ich,  wem  Ihr  bestimmt  seid! 
102 


Herodias: 

Sdiweige  dodi! 

Die  Amme: 
Und  wird  er  kommen  ? 

Herodias: 

Lisch,  du  keusdies  Licht! 

Die  Amme: 
Wie  sollte,  Süsse,  didi  Bestürzung  nicht 
bei  dem  Gedanken  an  den  Gott  ergreifen, 
dem  keiner  wehrt,  dem  sie  entgegenreifen, 
die  bangen  Reize,  die  didi  blendend  schmücken? 
Und  wem  denn  wahrt  Ihr  bebend  das  Enzücken, 
das  lockende  Geheimnis  Eures  Leibes? 


Mir! 


Herodias: 

Die  Amme: 

Ach  was  für  eine  blasse  Blume  Ihr 

dann  wäret,  einsam  wachsend  und  bewegt 

vom  eignen  Schatten  kaum  im  Wasser! 


Herodias: 

Hegt 

dein  Herz  nur  schnödes  Mitleid  oder  —  Hohn? 

Geh! 

Die  Amme: 

Glaub  mir,  Kind,  ich  hör  ihn  kommen  schon 
den  Tag,  dem  dieser  Trotz  erliegt! 

103 


Herodias: 

O  wer 
vermöchte  mich  wohl  zu  berühren,  der 
Löwen  sich  neigen!      Und  ich  will  auch  nie 
an  Mensdilichem  ein  Teil,  und  wenn  du,  wie 
schon  oft,  mich  sahst  mit  starrem  Blick,  ein  Stein, 
dastehn,  o  Amme,  war  es,  weil  ich  dein, 
der  Milch  gedachte,  die  mich  nährte  .  .  . 

Die  Amme: 

Klage 
erfüllt  mich  um  das  Opfer,  dem  ich  sage: 
schon  wölkt  dein  Schidksal  schattend  über  dir! 

Herodias: 

Mir  will  ich  blühen,  ewig,  einzig  mir! 
Ihr  wisst  es  alle,  schweigende  Gefährten: 
ihr,  ohne  Wind,  versunkne  grosse  Gärten 
von  Amethyst,  du  Gold,  verstedct  im  Dunkeln 
des  brachen  Bodens,  ihr,  im  keuschen  Funkeln, 
erlauchte  Steine,  deren  klares  Licht 
mein  Auge  wahrt,  und  die  ihr  Glanz,  Gewicht 
und  Grauen  meinem  jungen  Haar  gabt,  Erze ! 
Doch  du,  in  deren  zeitverderbtem  Herzen 
die  Bosheit  der  Sibyllen  grinst,  dass  didi 
von  einem  Sterblichen  mir  lästerlidi 
zu  sprechen  lüstet,   die  du  schauernd,  bleich 
aus  den  Gewändern  schon,  die  Kelchen  gleich 
entblättert  sinken,  gleiten  siehst  die  spröde 
duftende  Blüte  meiner  Sdiönheit,  Schnöde, 
gestehe,  dass,  wenn   mich  der  laue  Wind 
des  Sommers,  dem  die  Frauen  willig  sind 
104 


sidi  zu  entsdileiern,  sah  in  meiner  herben 

stemkühlen  Nacktheit,  ich  auch  schon  zu  sterben 

nicht  zögerte!     Denn  meiner  Jungfernschaft 

starres  Geheimnis  lieb  ich,  lieb  die  Haft, 

die  hüllend  midi  umwallende,  der  Haare, 

und  diesen  Schauder,  wenn  die  frierend  klare, 

die  keusche  Nacht  in  meine  Kammer  steigt 

und  ihre  Kälte  meinen  Leib  umsdiweigt, 

den  makellos  auch  keiner  brauchen  wird! 

O  du,  von  eisigem  Panzer  hell  umklirrt, 

glühend  in  Reinheit,  ewige  Sdiwester  Nacht, 

mein  Traum  hat  sich  geflügelt  aufgemadit 

und  schwebt  empor  zu  dir:  idi  bin  allein 

in  meiner  öden  Heimat,  ich  bin  dein, 

und  alles  ringsherum  ist  wie  das  Dienen 

von  stummen  Spiegeln,  und  es  sdieint  aus  ihnen 

in  diamantner  Stille  nur  mein  Bild! 

O  Stille,  die  von  Einsamkeiten  schwillt! 

Die  Amme: 
So  wollt  Ihr  sterben? 

Herodias: 

Mütterchen,  noch  nidit. 
Beruhige  didh  und  geh  jetzt,  denk:  sie  spricht 
aus  ihrem  harten  Herzen,  und  —  verzeih  .  .  . 
Vorher  jedoch  magst  du  die  Laden  sdiliessen:  sei 
die  so  verhasste  Bläue  mir  erspart, 
die  buhlend  sich  dem  Widerscheine  paart 
im  feilen  Fenster  .  .  .  Wellen  wiegen  sich  .  .  . 

105 


Kennst  du  kein  Land,  sag,  irgendwo  da  drüben 
—  denn  in  ein  soldies  Land  verlangte  mich  — , 
in  dessen  Himmel  sich  die  Spuren  grüben 

vom  still  im  Laub  erglühten  Abendstern? 

Nun  zünde  mir  —  ich  lausche  gar  zu  gern 
dem  leisen  Tropfen,   wenn   die   sdilanke  Flamme 
das  Wachs  in  goldner  Fessel  schmilzt,  noch,  Amme, 
die  Fadceln  an  —  du  magst  es  töricht  schelten  — 
und . . . 

Die  Amme: 
Nun? 

Herodias: 

Leb  wohl ... 

Dir,  meine  Lippen,  gelten 
denn  alle  diese  Worte?     Nein,   ihr  lügt! 
Mir  ahnt  ein  Unbekanntes  .  .  .  Oder  trügt 
ihr  nicht,  und  sinds,  eudi  selbst  geheimnisvoll, 
Seufzer  der  Kindheit,   die  schon  scheiden  soll, 
ist  es  kein  Traum  nur,  wenn  ich  mandimal  meine, 
fremd  glitten    mir  vom  Leib    die  kalten  Steine? 


106 


NACH  EMILE  VERHAEREN 


DIE  MILDEN  MÖNCHE 

Sind    Mönche    mit    so    selig    sanften    Mienen» 
dass  man  mit  Rosen   gern  die  Hände  ihnen 
und  Palmen  schmückte,  blauen  Baldachin 
Hess  ragend  über  ihren  Häuptern  ziehn 
und  ihren  Schritten  durch  das  Tal  der  Zeiten 
möcht  goldnen  Pfad  in  Silbersaum  bereiten: 
und  würden  längs   der  Seen  Gestaden    schreiten 
wie  Lilien,  die  das  Ufer  still  begleiten. 

Nur  einer  Kerze  Schimmer  wagt  ihr  Geist  zu  breiten, 
sie  tragen  süsse  Liebe  zur  Gebenedeiten. 
Sie   sind    von   ihr    durchglüht    und   wandeln    sie 

verkündend: 
Stern   tiefster  Meere,   Glanz  das  Firmament  ent- 
zündend. 
Mit  goldnen  Lippen,  wie  das  englische  Gesinde, 
rufen  der  Jungfrau   Lob  sie  laut   in  alle  Winde. 

Und    weil  sie    so  in  Andacht  flammend  flehn, 
kommts,  dass  die  Augen  ihnen  grösser  offen  stehn 
als  Menschen  sonst;  und  würden  in  verzückten  Qualen 
mit  ihrem  Leben  ihren  Glauben  zahlen. 
Und  an  dem  Liebesabend  wird  sie  durch  des  Knaben 
göttliche  Hand  im  Kussdie  Frömmsten  gnädig  laben. 


109 


Inhalts- Verzeichnis 


Seite 

Neue   Gedichte 

An  den  Herrn 1 

Meiner  Mutter 2 

An  meine  Frau 4 

Erwartung 5 

Frühlingsahnen  I 6 

n 7 

März  (Kinderlied) 8 

Schöpfung     ........  9 

In  der  Heimat 10 

Sursum 11 

Sommers  Einzug 12 

Wolken .         .13 

Mozarts  Spinett 14 

England 15 

Lange  Zeit 16 

Der  Wind 17 

Hochsommer          .......  18 

Waldweben  .  .         .         .         .         .19 

Der  Nachen 20 

Schlaflose  Nacht  .         .         .         .         .         .21 

An  die  Schönheit 22 

Sonnenaufgang 23 

Stunde  der  Ohnmadit          .         .         .         .         .  24 

Stunde  der  Fülle 25 

Im  Reisewagen 26 

Wir 27 

Die  Stunden 28 

111 


Seite 
Klänge  vom  Zirkus       ......       29 

Seele  30 

Spät  31 

Schlaf .         .32 

Wiedersehen  .......       33 

Ach,  alle  diese  Worte  ...  .  .         .         .34 

Manchmal  mein  ich  es  zu  halten  ...  .         .35 

Wir  sagen  Abend  ...         .  .         .  .         .36 

Bin  ich  im  Leben  ...  .         .         .         .         .37 

Es  wird  sein         .......       38 

Sternhelle  Nacht 39 

Nach  einem  Regentag-e  .....       40 

In  der  Nacht 41 

An  Georg  I 42 

II 43 

Der  Kreis 44 

Der  traurige  Mond       ......       45 

Entführung  .......       46 

Die  alten  Bilder 47 

Jagdmorgen  .......       48 

Vision 49 

Der  Stern 50 

Meiner  Mutter  (Ein  andres)  .         .         .51 

Das  Wort 53 

Sonnenuntergang 54 

Aus    einem    Sonettenkranz    „Heimat    der    Seele" 
Wie  hast  du  mich  ....         .         .         .         .55 

Ich  muss  aus  allerersten  Kindertagen.  .         .       56 

Du  bist  mir,  Mutter,  immer  noch         ...       57 
Vom  Schnee         .......       58 

Ich  sah  dich  nachts  am  Fenster  ...       59 

Elegie  der  seligen  Resignation     ....       60 

An  Adalbert  Stifter 63 

Rembrandt,  der  Künstler.     Eine  Vision       .         .       66 


112 


Seite 

Neue      Nachdichtungen      aus     dem     Fran- 
zösischen 

Nach  Charles  Baudelaire 

Der  Feind          ....          .         .         .  11 

Der  Albatros 78 

Don  Juan  in  der  Holle     .....  79 
Dein  Schritt  ....         .         .         .         .         .80 

Duft  der  Ferne 81 

Verhör  um  Mitternacht     .....  82 

Begräbnis  eines  verfehmten  Dichters         .         .  84 

Nach  Paul  Verlaine 

Nevermore 87 

Schäferstunde    .......  88 

Der  Spiesser 89 

Alte  Weise 90 

Lass   wechselseitig  uns  Verzeihung   üben  ...  91 

Schlichte  Weise 92 

Mir  ist,  idi  hörte  Stimmen  ...        .         .  .93 

Das  ist  das  verzückte  Sdimachten 94 

Unendlidies  Weh  ....         .         .         .         .95 

Nach  Stephane  Mallarme 

Meeresbrise       .......  99 

Herodias 100 

Nadi  Emile  Verhaeren 

Die  milden  Mönche 111 


113 


Die  frühern  Gedichte  von  Richard  Schaukai  um- 
fassen folgende  Bände  : 

Gedichte  1893* 

Verse  (1892—1896)  1896* 

Meine  Gärten.     Einsame  Verse,     1897 

Tristia.     Neue  Gedichte  1897—1898.    1898* 

Tage  und  Träume  1899* 

Sehnsucht.     Neue  Verse  1900* 

Pierrot  und  Colombine  oder  dcis  Lied  von  der  Ehe. 
Ein  Reigen  Verse  1902 

Das  Buch  der  Tage  und  Träume.  (Neue  erweiterte 
Ausgabe  der  „Tage  und  Träume",  mit  dem 
Porträt  des  Dichters)  1902 

Ausgewählte  Gedichte  1904 

Verlaine-Her edia.  Ausgewählte  Nach- 
dichtungen 1906 


(Die  mit  *  bezeichneten  Bände  sind  vergriffen  und 
werden  nicht  mehr  aufgelegt) 


Bei  Georg  Müller  sind  folgende  Werke  von  Richard 
Schaukai  erschienen: 

Kapellmeister  Kreisler  1906 

Giorgione  1906 

Literatur  1906 

Leben    und   Meinungen   des   Herrn   Andreas  von 

Balthesser  1907  (5.  Auflage  1908) 
Schlemihle.  Zwei  Novellen  1907  (2.  Auflage  1908) 


114